Kürzlich fand in Bern die Bau und Energiemesse statt. Die dominierenden Themen waren Minergie, Energieeffizienz und Energiewende. Ganze Städte bekennen sich zum Energiesparen und begeben sich auf den Weg zur Energiestadt: Stolz und gut sichtbar werden die erfolgreichen Anstrengungen durch das Energiestadt-Label am Stadteingang und auf der Website dokumentiert. Die Rede ist stets von bauphysikalischer Energie.

Aber wie steht es mit dem Anteil an menschlicher, an psychischer Energie beim Planen und Bauen? Steht sie den Bauherren, Architekten, Ingenieuren, Planern und Unternehmern in unendlichem Masse zur Verfügung? Verfügen wir über Nerven, Zeit und Geduld im Überfluss? Wohl kaum.

Ebenso wie die physikalische Energie ist auch unsere menschliche Energie begrenzt. Und sie ist kostbar. Es gilt, sie gezielt und effizient einzusetzen. Seit einigen Jahren wird viel über Burnout geschrieben. Von diesem Phänomen bleiben auch Bauschaffende nicht verschont. Ursache ist oft unser Umgang mit persönlicher Energie, insbesondere ein (zu?) hohes persönliches Engagement, woraus eine negative Energiebilanz resultiert. Der grösste Energiefresser für alle am Bau Beteiligten ist, neben der eigentlichen Bauaufgabe, der Umgang mit Stress, Ärger, Frust und Streit untereinander. Bei Konflikten im Bauwesen gibt es zwei Parteien, die mehrheitlich beteiligt sind: Architekten und Bauherrschaft. Die Architekten stehen meist im Zentrum des Bauvorhabens und bewegen sich in den Spannungsfeldern Gestaltung und Normierung, Funktion und Form, Kosten und Leistung. Diese Felder beinhalten gegenläufige Interessen.

Die Bauherrschaft im Wohnungsbau ist oft zum ersten und einzigen Mal in dieser Funktion tätig und realisiert das finanziell grösste und bedeutendste (Bau-)Projekt ihres Lebens. Dabei richtet sich der Fokus auch auf profane und alltägliche Dinge. Bei öffentlichen Bauherren dagegen geht es oft darum, finanzielle und inhaltliche Vorgaben im Schaufenster von Presse und Öffentlichkeit umzusetzen. Bei derart unterschiedlichen Ausgangslagen sind Konflikte unausweichlich. Auch in der Zusammenarbeit mit Unternehmern bietet das Bauwesen riesiges Konfliktpotenzial bis hin zum offenen Streit. In den meisten Fällen hilft die Konfliktfähigkeit aller Beteiligten, und es können gemeinsam Lösungen gefunden werden. Doch es bleibt eine Restsumme, wo es nicht ohne Hilfe von Dritten geht. Da ist Mediation eine lohnende Option. Vor allem dann, wenn persönliche Beziehungen und langjährige Zusammenarbeit auf dem Spiel stehen. Wenn der Bauherr mein Schwager oder Bruder ist, der Architekt ein guter Freund oder der Bauunternehmer ein Nachbar. Wenn es also darum geht, den Familienfrieden nicht zu gefährden, menschliche Werte hochzuhalten oder Freunde durch das gemeinsame Bauvorhaben nicht zu verlieren, dann ist die Erfolgschance einer Mediation am grössten.

Mediation ist beziehungsschonend, denn der Weg zum Anwalt oder vors Gericht wird vermieden. Niemand verliert sein Gesicht, es gibt keine Verletzten, dafür gibt es eine gemeinsame Zukunft, sei dies familiär, freundschaftlich oder geschäftlich. Besonders bei privaten und professionellen Mehrfachbauherren, wo die Vorteile einer langfristigen Zusammenarbeit mit den Baupartnern erkannt sind, kommt Mediation zur Anwendung. Mediation ist schnell, sie führt je nach Situation innert Tagen oder Wochen zum Ziel. Sie bringt sofort umsetzbare Lösungen und ist kostengünstig. Positiv im Vergleich zu langjährigen, teuren Gerichtsverhandlungen. In den Normen und Ordnungen des SIA ist das Mediationsverfahren zur Streiterledigung verankert. Viele Planer und Bauherren nutzen diese Möglichkeit noch zu wenig, immer mehr Baubeteiligte machen aber davon Gebrauch. SIAForm wird im Herbst 2013 ein Modul Baumediation anbieten.

Durch Mediation sparen wir wertvolle Energie für neue Projekte und Ideen, die wir schon lange umsetzen wollten, wäre da nicht diese belastende Bausituation. Auf niedriger und mittlerer Eskalationsstufe hat Mediation grösste Erfolgschancen, und zwar dann, wenn die unterschiedlichen Positionen bekannt sind und die Kommunikation noch möglich ist. Tragen wir Sorge zu unserer menschlichen Energie, denn auch sie ist wertvoll und endlich.

Jürg Fischer

Baumediator FSM, Holzbauingenieur, ehem. Prof. ZFH / ehem. Handelsrichter Kt. ZH